04  RISIKOANALYSE  ZUM  ILS33-LANDEVERFAHREN

 

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Eine Risikoanalyse zum ILS33-Landeverfahren liegt nicht vor. Bezug nehmend auf die generelle Risikoanalyse für den Flughafen Basel-Mulhouse von 2001 hielt die DSNA eine zusätzliche Risikoanalyse für das ILS33 explizit für überflüssig  1.

In der Kurzfassung der generellen Risikoanalyse von 2001  2 (wie auch in der Vollversion  3) wird lediglich festgehalten, dass das geplante ILS33 der Verkehrssicherheit förderlich sei, wenn dadurch die Südlandungen nicht zunähmen. Diese Einschätzung, die sich nicht auf eine separate Risikoberechnung zum ILS33-Verfahren abstützt und völlig unberücksichtigt lässt, dass mit dem ILS33 ein deutlich grösseres Siedlungsgebiet überflogen wird als mit dem Sichtflugverfahren MVI34, bezieht sich auf die Flugsicherheitsverhältnisse in den sechs verkehrsreichsten Monaten Mai-Oktober im Jahr 1999. In diesem Zeitraum, der weitgehend mit der Nordwind-Hauptsaison übereinstimmt, erfolgten 7.75 % der Landungen von Süden, vorwiegend im MVI34-Verfahren (2'544 von insgesamt 32'841 Landungen).

Zur Risikobeurteilung des ILS33-Verfahrens müssten die Monate mit den meisten Südlandungen berücksichtigt werden. Zwischen 2008-2014 erreichten die ILS33-Landungen während der sechs nordwind-intensivsten Monate März-Juni, September-Oktober bis 13.6 %  4  5  6  7  8  ‑ also deutlich mehr, als in der Risikobeurteilung berücksichtigt wurde.

Rechnet man den bisherigen Höchstwert von 13.6 % Südlandungen auf die im SIL-Objektblatt verankerte Limite von jährlich 123'000 gewerblichen Flugbewegungen hoch  9, ergeben sich daraus 4'433 ILS33-Landungen während der sechs nordwind-intensivsten Monate März-Juni, September-Oktober. Das Prognoseszenario in der Risikoanalyse sieht aber nur 3'689 Südlandungen vor, und das bei einem Verkehrsvolumen von 181'250 Flugbewegungen (45 % Mehrverkehr bezogen auf 1999)  10.

Daraus geht hervor, dass die in der Risikoanalyse festgehaltene Bedingung nicht erfüllt wird. Es ist eine logische Folge dessen, dass Ende 2001 aus Lärmschutzgründen für das Elsass die Regelung zur Umstellung auf Südlandebetrieb von 10 kn auf 5 kn herabgesetzt wurde  11  12 (siehe 09 Knotenregelung). So ist weiter zu folgern, dass das ILS33 in der praktizierten Form nicht zur Risikominimierung beiträgt. Zudem werden nach wie vor auch Landungen im Sichtflugverfahren (VFR) auf Piste 33 durchgeführt  13, die in obiger Rechnung noch gar nicht berücksichtigt sind.

Auch in Bezug auf den Flottenpark hat die Risikoanalyse von 2001 für die heutigen Verhältnisse keine Gültigkeit mehr, weil zunehmend grössere Flugzeuge mit entsprechend grösserem Zerstörungspotential im Unglücksfall eingesetzt werden. Die Grössenzunahme wird erst evident, wenn der Flottenmix im Detail betrachtet wird, weil sich die Gewichtszunahme der neueren Flugzeugtypen vor allem innerhalb der sehr weit gefassten Mittelklasse bewegt (Maschinengewicht 7-136 t). Die Risikoanalyse bezieht sich auf einen Flottenpark, der zu fast einem Drittel aus Saab 2000 (max. 50 Passagiere, max. Startgewicht 23 t) und einem weiteren Drittel aus Saab 340 (max. 37 Passagiere, max. Startgewicht 13 t), British Aerospace 146 (max. 112 Passagiere, max. Startgewicht 46 t), Fokker 50 (max. 62 Passagiere. max. Startgewicht 23 t) und Piper PA28 (max. 3 Passagiere, max. Startgewicht 1.2 t) bestand. Die Airbus A319, A320 und A321 (max. 124-220 Passagiere, max. Startgewicht 76-94 t) machten damals keine 5 % des Flugverkehrs am EAP aus, heute aber zusammen mit Boeing B738 insgesamt 62 % des kommerziellen Flugverkehrs.

Aus der Risikoanalyse geht ferner nicht hervor, ob die Einschätzung den Umstand berücksichtigt, dass das ILS33 mit einem Gleitwinkel von 3.5°ausgestattet ist statt mit dem Standard-Gleitwinkel von 3°, und deshalb risikoreicher ist. Ob die direkten Südstarts (HOC und BASUD), die der gleichen Flugroute folgen wie das ILS33, in der Risikoanalyse berücksichtigt wurden, ist unklar. Auf die Problematik von Gefahrgut geht die Risikoanalyse nicht im Detail ein, obwohl angenommen werden muss, dass angesichts der regional ansässigen chemisch-pharmazeutischen Industrie im Vergleich zu andern Flughäfen hier ein überdurchschnittlich hoher Frachtanteil aus Gefahrgut besteht.

Im Hinblick auf die Installation vom ILS33 wird in der Risikoanalyse die Bevölkerungsentwicklung im betroffenen Gebiet nicht berücksichtigt. Seit 1999 haben Einwohnerschaft und Beschäftigte im politischen Bezirk Arlesheim über 5 % zugenommen  14. Eine weitere, massive Verdichtung des Agglomerationsraums wird vom Kanton vor allem in der ILS33-Schneise Allschwil-Binningen-Reinach-Aesch angestrebt  15, was sich zusätzlich negativ auf das Gruppenrisiko auswirkt. Stark gewachsen sind ferner die Gewerbezonen, wo sich ebenfalls sehr viele Personen aufhalten.

Bemerkenswert ist schliesslich, dass das Fehlen einer Risikoanalyse zum ILS33-Verfahren seitens Schweizer Behörden bis heute geduldet wird, obwohl dies im Falle einer wesentlichen Änderung im Flugbetrieb (wie die Installation des ILS33 und die ab 2002 reduzierte Knotenregelung für Südlandungen) vom Sicherheitsinspektorat BL bereits 2003 explizit gefordert wurde  16.

Im Gegensatz zur Risikoanalyse wird im Kontrollbericht des Sicherheitsinspektorats BL im Prognoseszenario ein nur bedingt tragbares Risiko für die Bevölkerung festgestellt. Von den vorgeschlagenen Massnahmen zur Risikominimierung wurde bis heute im Wesentlichen nur das ILS33 umgesetzt  17, wobei die Bedingungen zur Risikominimierung nicht eingehalten werden (siehe oben). Die stärkere Nutzung der verlängerten Ost-West-Piste 26 fand nur während drei Jahren statt (2002-2004) und liegt längst wieder auf dem tiefen Niveau von früher (siehe 17 Pistenbenützung).

Dass es sich bei der Flugverkehrsbelastung nicht nur um eine Lärmproblematik handelt, sondern in erster Linie um eine Frage der Sicherheit für die betroffene Bevölkerung, scheint die Kantonsregierung BS und BL nach wie vor wenig zu kümmern. So verneinten jene beiden Regierungsräte, welche beim EuroAirport ein Verwaltungsratmandat inne haben, jegliche Notwendigkeit, nach mehr als zwölf Jahren Luftfahrt- und Siedlungsentwicklung eine neue, auf die veränderten Bedingungen angepasste Risikoanalyse erstellen zu lassen  18.

 

04-01    Antwortschrift Projekt ILS34. DGAC und DSNA, Nov. 2005:
1.2.4.2 Risikoanalyse durchführen  
1999 wurde unter Federführung der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft eine Risikoanalyse für den Flughafen Basel-Mulhouse durchgeführt. Diese im Juni 2001 veröffentlichte Studie schloss: „Die Installation eines Instrumentenlandesystems (ILS) für den Anflug aus Süden auf die Hauptpiste (…) sollte nur als Ergänzung zu Anflügen aus Norden bei zwingenden meteorologischen Gegebenheiten Anwendung finden und nicht zu vermehrten Überflügen der südlich des Flughafens gelegenen Gebiete führen. Unter diesen Voraussetzungen ist eine derartige Einrichtung als wertvoller Beitrag zur Verkehrssicherheit bei ungünstigen Wetterverhältnissen einzustufen.
Angesichts der Ergebnisse dieser Studie hält die DSNA eine erneute Risikoanalyse als Entscheidungshilfe für oder wider das Projekt für überflüssig.

04-02    Risikoanalyse für den Flughafen Basel-Mülhausen auf der Basis des Flugsicherheitsgutachtens der Arbeitsgemeinschaft GfL, Kurzfassung. Gesellschaft für Luftverkehrsforschung, Berlin, und Arcadis Trischler & Partner GmbH, Darmstadt, Juni 2001 (S. 17)

04-03    Flugsicherheitsgutachten. Risikoanalyse für den Flughafen Basel-Mülhausen. ARCADIS Trischler & Partner GmbH, Darmstadt, und GfL Gesellschaft für Luftverkehrsforschung, Berlin, März 2001 (S. 98)

04-04    Jahresstatistik ILS33 2008. EuroAirport

04-05    Jahresstatistik ILS33 2009. EuroAirport

04-06    Jahresstatistik ILS33 2010. EuroAirport

04-07    Jahresstatistik ILS33 2011. EuroAirport

04-08    Jahresstatistik ILS33 2012. EuroAirport

04-09    Flughafen Basel-Mulhouese: Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt 8SIL). Informationsveranstaltung, 22. Juni 2011, Reinach BL

04-10    Risikoanalyse für den Flughafen Basel-Mülhausen auf der Basis des Flugsicherheitsgutachtens der Arbeitsgemeinschaft GfL, Kurzfassung. Gesellschaft für Luftverkehrsforschung, Berlin, und Arcadis Trischler & Partner GmbH, Darmstadt, Juni 2001 (S. 5 und 11)

04-11    Flughafen Basel-Mulhouse - Projekt einer Vereinbarung. ACNUSA, 17. Dez. 2001 (S. 3)

04-12    Vorlage an den Landrat betr. Bericht über den Stand der Bemühungen zur Verminderung der Fluglärmbelastung im Jahre 2001. Regierungsrat Kanton Basel-Landschaft, 29. Okt. 2002 (zweitletzte Seite)

04-13    Umwelt-Bericht 2011. EAP (S. 4)

04-14    www.statistik.bl.ch

04-15    Verdichtungsstudie Baselland - Potenziale und Visionen. Bau- und Umweltschutzdirektion Kanton Basel-Landschaft, Januar 2011 (S. 5-8)

04-16    Kontrollbericht. Risikoanalyse für den Flughafen Basel-Mülhausen. Sicherheitsinspektorat BL, 4. Dez. 2003 (S. 12):
Wenn sich die Verhältnisse wesentlich ändern oder relevante neue Erkenntnisse vorliegen, die auf das Risiko einen Einfluss haben, muss die Risikobetrachtung der neuen Situation angepasst und den Beurteilungsbehörden neu vorgelegt werden.

04-17    Kontrollbericht. Risikoanalyse für den Flughafen Basel-Mülhausen. Sicherheitsinspektorat BL, 4. Dez. 2003 (S. 10-11):
Diese Massnahmen zeigen eindeutig, dass damit das Externe Risiko für nicht am Flugverkehr beteiligte Personen auch im ausgewählten Prognoseszenario im bedingt tragbaren Bereich liegen würde. Es sind zusätzliche Massnahmen notwendig. 
Der EuroAirport hat in seinem Schreiben vom 9. April 2003 den Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft über den Stand der Umsetzung der vorgeschlagenen risikomindernden Massnahmen orientiert. Die bis zum obengenannten Datum in Erwägung gezogenen, bereits getroffenen oder abgelehnten Massnahmen umfassen folgende Punkte, welche im Schreiben des EuroAirports wie folgt kommentiert wurden

- Der Ausbau und die verstärkte Nutzung der Ost/West-Piste seien ab Januar 2002 realisiert

- Die Änderung des Anflugverfahrens auf der Piste 26 zur Vermeidung tiefer Überflüge der Industrieanlagen im Osten des Flughafens werde nicht realisiert und das gegenwärtige Betriebssystem werde beibehalten

- Die Einführung von Slot-Zuweisungen sei aufgrund der Reduktion der Flugbewegungen in den Jahren 2001/2002 nicht mehr gerechtfertigt

- Der Einsatz elektronischer Koordinationssysteme zur Optimierung der An- und Abflüge sei vergleichbar mit dem System TACO in Zürich und befinde sich in Prüfung

- Die Prüfung und Einsatz einer speziellen Radartechnik zur Vermeidung der Mindeststaffelung seien aufgrund der Reduktion der Flugbewegungen in den Jahren 2001/2002 nicht mehr gerechtfertigt

- Die Installation eines Instrumentlandesystems ILS34 sei in Planung, die Realisierung sei auf die Jahre 2004 / 2005 vorgesehen

04-18    Anwohner zweifeln an Flughafensicherheit. bz Basel, 4. Feb. 2013 (S. 17)